Geschichte

Inhalte:

Kirche in Beerfurth

50 Jahre Evangelische Kirche in Beerfurth - Ein Interview mit Adolf Delp

Ein Kirchturm geht auf Wanderschaft


Kirche in Beerfurth

Wenn wir in der Geschichte unseres Dorfes zu­rückblicken, dann stand vor vielen hundert Jahren in Beerfurth schon einmal eine kleine Kapelle, dort wo Brühlstraße und Brückenstraße aufeinanderstoßen. Nie­mand weiß, wann und wer dieses Bauwerk errich­tet hat. 1635 wird es schon als Ruine bezeichnet und 1738 schließlich ganz abgerissen. Es bleibt zu vermuten, dass diese Kapelle mit dem Beerfurther Schlösschen in Zusammenhang gebracht werden muss, vielleicht war sie auch Wallfahrtskapelle, denn an ihr zogen die Pilgerzüge auf ihrer Wande­rung von der Bergstraße nach Walldürn vorbei.

1749 wurde an dieser Stelle das erste Schulhaus in Kirch-Beerfurth errichtet und die Glocke der Ka­pelle diente von nun an als Schulglocke. Leider wurde sie beim Schulhausbrand 1852 zerstört.

Die Herrschaftsverhältnisse in früherer Zeit brach­ten es mit sich, dass nicht nur Länder geteilt wurden, son­dern auch Dörfer eine Trennung erfuhren. So wurde 1478 Beerfurth in zwei Teile gespalten. Der eine Teil blieb bei der Herrschaft in Fränkisch-Crumbach (Kirch-Beerfurth) während der zweite Teil an das Stift vom Heiligen Geist in Heidelberg verkauft wurde (Pfaffen-Beerfurth).

So kam es auch, dass nach der Reformation die beiden Dorfteile zwei verschiedenen Kirchspielen angehörten. Kirch-Beerfurth blieb bei der Kirche in Fränkisch-Crumbach und Pfaffen-Beerfurth pfarrte nach Reichelsheim.

Einen ersten Versuch, zu einer eigenen Kirche zu gelangen, machte Pfaffen-Beerfurth im Jahre 1905. Bei dem Bau des Tonwerkes im Dorf wurde mit der Firma Funk und Sommer ein Tonliefervertrag zwi­schen Gemeinde und der Firma geschlossen. Das Tonwerk durfte in der Tongrube der Gemeinde das Rohmaterial holen. Dafür sollte der Betrieb, sobald eine Kirche im Ort errichtet werden würde, das Baumaterial und die Ziegel kostenlos liefern. Die­ser Vertrag war auf 25 Jahre beschränkt.

Der 1. Weltkrieg hat die Verfolgung dieses Planes ruhen lassen und erst 1925 erinnerte man sich wieder an die getroffene Vereinbarung. Die Gemeinde Pfaffen-Beerfurth ließ von einem Archi­tekten aus Darmstadt einen Plan anfertigen und ei­nen Kostenvoranschlag aufstellen. (Beide Akten liegen heute im Gemeindearchiv). Die neue Kirche sollte in der Pfalzstrasse gebaut wer­den.

Noch waren die Mittel zum Bau nicht aufgebracht, als der Machtwechsel und das 3. Reich auch die­sen Plan vereitelte.

Erst 1953 befasste man sich wieder mit der Grün­dung einer eigenen Kirchengemeinde und dem Bau einer Kirche. Diesmal waren aber beide Ge­meinden an der Planung beteiligt. Vorher gab es allerdings noch Hindernisse zu überwinden. Es war nicht sicher, ob die beiden Mutterkirchen in Frän­kisch-Crumbach und Reichelsheim ihre Filialge­meinden freigeben würden. Auf Anregung der Pfarrer in Reichelsheim und Fränkisch-Crumbach sollte in einer Gemein­deversammlung zur Frage der Selbständigkeit und des Kirchenbaus Stellung genommen werden.

Die kommunalen Interessen der beiden Gemein­den ließen aber eine Einigung in dieser Frage noch nicht zu und die Prestigefrage: In welcher Ge­meinde soll die Kirche stehen? – stand zu sehr im Vordergrund.

Erst durch den Bau der Mittelpunktschule 1961/62 konnte in dieser Hinsicht eine Übereinkunft getrof­fen werden. Man war sich einig: In Pfaffen-Beer­furth wird die Schule zu stehen kommen - dann wird das zu errichtende Gotteshaus in Kirch-Beer­furth gebaut.

Um die Angelegenheit voranzutreiben, sprachen deshalb die Gemeindemitglieder Bürgermeister Adam Götz und Martin Delp, Rechtsanwalt Lange und die Lehrer Jakob Gärtner und Ernst Hierony­mus in Darmstadt bei Propst Felix Rau vor und fanden dort zu aller Überraschung ein offenes Ohr für ihr Anliegen und die Zusage, zur Bildung einer eigenen Kirchengemeinde.

Pfaffen-Beerfurth sollte von Reichelsheim und Kirch-Beerfurth von Fränkisch-Crumbach losgelöst werden. Ebenso sollten die Filialgemeinden Gersprenz und Ober­-Kainsbach der neuen Kir­chengemeinde angehören. Bockenrod wurde ein Beitritt freigestellt – es entschied sich für Rei­chelsheim.

Propst Felix Rau meinte zu diesem Ansinnen der Gemeinden: „Schließlich ist es nicht mehr zu ver­antworten, dass die Gersprenzer Gemeindeglieder durch Kirch-Beerfurth und die Kirch-Beerfurther durch Gersprenz gehen müssen, um die Gottes­dienste ihrer Kirche in Reichelsheim oder Frän­kisch-Crumbach zu besuchen, von den Ober-Kainsbachern ganz zu schweigen.“

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1962 wurde die neue selbständige Kirchengemeinde Kirch- und Pfaffen-Beerfurth gegründet.

Was ist aber eine Kirchengemeinde ohne Pfarrer? Auch hier handelte Propst Rau in Darmstadt schnell und am 28. Oktober 1962 trat Vikarin Marianne Queckbörner aus Frankfurt, als erste Pfarrerin im Kirchspiel, ihren Dienst an und wurde von Dekan Baumann in ihr Amt eingeführt, das sie bis zu ihrer Ruhestandsversetzung am 31.12.1991 ausübte. Sie war damit auch die erste Frau, die als Seelsor­gerin im Odenwald ein Pfarramt übernahm.

Pfarrerin Queckbörner fiel nun die Aufgabe zu, die Dörfer im neuen Kirchspiel zu vereinigen und auch die Vorbereitungen für den Bau eines Gemeinde­zentrums zu treffen. Bis dahin fanden die Gottesdienste zunächst im Schulsaal in Kirch-Beerfurth statt.

Der 28. Juni 1964 war ein denkwürdiger Tag für die junge Kirchengemeinde. Der Grundstein für das neue Gotteshaus konnte gelegt werden und nach zügiger Bauzeit wurde die Kirche am 3. Ok­tober 1965 eingeweiht. Sie erhielt den Namen „Evangelische Johanneskirche Kirch- und Pfaf­fen-Beerfurth“.

Bei der Grundsteinlegung im Jahre 1964 hieß es: „Bei diesem Kirchbau geht es allein darum, dass auch in unseren Dörfern ein Zeichen Gottes aufge­richtet werde. Ein Zeichen der Herrschaft Gottes über die ganze Welt. Ein Zeichen in unserem oft so harten und schweren Alltagsleben. Gott hat uns nicht vergessen. Die Gemeinde aber ist die Hauptsache wenn wir eine Kirche bauen!"

Ernst Hieronymus


50 Jahre Evangelische Kirche in Beerfurth - Ein Interview mit Adolf Delp

Adolf Delp

Der Gemeindebrief: Sehr geehrter Herr Delp, 2012 wird unsere Kirchengemeinde 50 Jahre alt. Sie sind ein Mann der ersten Stunde. Können Sie uns sagen, wie es zur Gründung unserer Gemeinde kam?

Adolf Delp: Ja, ich war von Anfang an mit dabei. Seit 1962 war ich in unserer Kirchengemeinde tätig, zunächst als Kirchengemeindevertreter, dann ab Juni 1967 als Kirchenvorsteher.
Die Hoffnung, eine eigene Kirche in Beerfurth zu bauen, ist alt. Erst mit dem Bau der Mittelpunktschule in Pfaffen-Beerfurth 1961/62 kam es zu der Einigung, in Kirch-Beerfurth die Kirche zu errichten. Die Pfaffen-Beerfurther bekamen also die Schule, die Kirch-Beerfurther die Kirche. Am 1. Oktober 1962 wurde unsere Kirchengemeinde ge-gründet.

Der Gemeindebrief: Zu einer Kirchengemeinde gehört eine Kirche, Büro- und Gemeinderäume, ein Pfarrhaus und natürlich einen Ort, wohin die Gebäude gebaut werden sollen.

Adolf Delp: Von der Familie Arras (Burgviertel) erwarb man das Grundstück oberhalb der Kirchstraße. Das Grundstück unterhalb der Kirchstraße wurde von Adam Röder gekauft mit der Absicht, dort einmal einen Kindergarten zu erreichten.
Was die Gebäude betrifft, so erinnere ich mich an zahlreiche Sitzungen und Besprechungen, in denen es immer wieder um Baufragen ging. 1964 wurde dann endlich der Grundstein für die ganze Anlage gelegt.
Leider gab es einige Kritikpunkte am Bau, mit denen wir uns gegenüber den Architekten Pfauz und Rau nicht durchsetzen konnten. So wurde der Kirchturm nicht oben über den Eingang der Kirche gebaut, wie ursprünglich geplant, sondern am tiefsten Punkt des Grundstückes. Dadurch waren die Glocken in Pfaffen-Beerfurth kaum zu hören. Mit Lautsprechern auf dem Kirchendach haben wir dann versucht, das Problem zu lösen.
Die von uns bemängelte Treppenanlage erweist sich bis heute gerade für alte Menschen als großes Problem. Aus diesem Grund wurde ein zweiter Zugang über die Burgstraße nötig. Ein ursprünglicher Plan, einen treppenlosen Zugang zum Gemeindehaus zu schaffen wurde nicht realisiert.
Als ein großes Problem sollten sich auch die Flachdächer erweisen. In den Folgejahren mussten immer wieder aufwendige Dachreparaturen durchgeführt werden.

Der Gemeindebrief: Wie entwickelte sich das Leben in der neu gegründeten Kirchengemeinde?

Adolf Delp: Marianne Queckbörner wurde die erste Pfarrerin unserer Gemeinde. Die Gottesdienste fanden zunächst in der alten Schule in Kirch-Beerfurth statt. Größere Feierlichkeiten wie Konfirmationen wurden in der Kirche in Fränkisch-Crumbach durchgeführt. Der Frauenkreis war damals sehr groß und sehr aktiv.

Der Gemeindebrief: An welche Highlights in der Geschichte der Kirchengemeinde erinnern Sie sich gerne zurück?

Adolf Delp: Ein besonderes Fest damals war natürlich die Grundsteinlegung zur Kirche im Juli 1964.
Gerne erinnere ich mich auch an die Einweihung der Kirche am 3. Oktober 1965 und das Abholen der Glocken bei der Firma Bachert in Bad Friedrichsdorf, zusammen mit Bürgermeister Götz, meiner Tochter Sybille und mir. Oben auf der Spreng wurde von den Frauen der Frauenhilfe unter der Leitung von Frau Elisabeth Götz der Wagen mit den Glocken geschmückt. Durch Kainsbach sowie alle Straßen Beerfurths sind wir gefahren. Das war schon ein besonderer Höhepunkt.
Gerne erinnere ich mich an die mehrtägigen Ausflüge des Kirchenvorstandes mit Pfarrerin Queckbörner.
Nennen möchte ich auch die Partnerschaft mit der Evangelischen Gemeinde in Oberwiesenthal, die ich zusammen mit Karl Klöber 1987, also noch vor der Wende initiie-ren konnte.
Ein persönliches Highlight war, als Frau Queckbörner einmal sehr krank war und ich von jetzt auf gleich den Gottesdienst gehalten habe. Ich bekam von ihr ein paar Stichpunkte, den Bibeltext und einige Liedervorschläge und schon ging’s los. Die Predigt hat Frau Ganß spontan nach Vorlage von Frau Queckbörner gehalten. Aber irgendwie haben wir auch das gemeistert.
Natürlich erinnere ich mich auch gerne an den Umbau des Kirchturmes mit dem Transport der Kirchturmspitze von Erbach nach Beerfurth.

Der Gemeindebrief: Was hat Ihnen als langjähriges Mitglied des Kirchenvorstandes in Bezug auf die Gemeindearbeit besonders am Herzen gelegen?

Adolf Delp: Nun, es ging mir zum Beispiel darum, dass der Pfarrer die alten Leute und Kranken besucht.
Wichtig war mir auch immer, dass der Pfarrer in der Gemeinde anwesend ist.
Auch für die Jugendarbeit habe ich mich stark gemacht.
Und dann waren es natürlich immer wieder Bauangelegenheiten, die mich beschäftigten. So lange ich im Kirchenvorstand tätig war, ging es immer wieder um Baumaßnahmen.
Immer wichtig war mir aber auch der Kontakt zwischen Kirchengemeinde und Vereinen. Es liegt mir daran, dass zwischen den Vereinen und der Kirchengemeinde ein gutes Verhältnis besteht.
Als es um die Suche eines neuen Pfarrers für unsere Gemeinde ging, war ich sehr dafür, dass ein Pfarrer mit Familie und Kindern in das Pfarrhaus einzieht, um näheren Kontakt mit der Gemeinde zu haben.

Der Gemeindebrief: Sehr geehrter Herr Delp, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Ein Kirchturm geht auf Wanderschaft

Die neu errichtete Johanneskirche mit Gemeindehaus und PfarrhausEine ‚moderne‘ Kirche sollte es sein – und es wurde eine ‚moderne‘ Kirche, die in den Jahren 1964/65 im Reichelsheimer Ortsteil Beerfurth gebaut wurde.
Ihr Baustil fiel so ungewöhnlich aus, dass mancher Ortsunkundige Mühe hatte in dem ungewöhnlichen Betonwerk eine Kirche zu erkennen. Nicht nur Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus hatten die Architekten Fautz und Rau mit einem Flachdach versehen, sondern auch den Kirchturm, der deutlich tiefer zu stehen kam als die Kirche selbst und auf dessen Dach das Kreuz der einzige Hinweis blieb, dass es sich bei der vorliegenden Anlage um kirchliche Gebäude handelt.

Bereits dreißig Jahre später wiesen die unterschiedlichen Bauelemente schwere Verwitterungsschäden auf. Wilder Wein, der die Anlage jahrzehntelang überwucherte und im Sommer mit saftigem Grün überzog, hatte ebenfalls seine zerstörerischen Spuren auf den Fassaden hinterlassen. Eine Sanierung der Gebäude war überfällig!

Die Kirchturmspitze wird verladenDie Arbeiten waren bereits voll im Gange, als sich 1998 mit dem Hessentag in Erbach unverhofft die Möglichkeit bot, dem geduckten Kirchturm nicht nur zu einer angemessenen Größe, sondern auch zu einem vernünftigen Spitzdach zu verhelfen. Zu Hilfe kam der Odenwälder Holzdialog, der drei Wochen vor Eröffnung der Messe immer noch nach einem geeigneten Showprojekt für seine Aktivitäten in der Region suchte. Warum, so fragte sich Architekt Heinrich Schäfer, Mitglied der Ev. Johannesgemeinde Beerfurth, sollte dieses Showprojekt nicht der Bau eines hölzernen Kirchturmaufsatzes mit Dach sein?
Damit war die Idee einer grundsätzlichen Neugestaltung des Kirchturms geboren. Der Kirchenvorstand war Feuer und Flamme und auch die Betreiber des Hessentages waren mit dem kurzfristig eingereichten und in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Vorschlag einverstanden.

Der Kirchturm geht auf ReisenNun musste alles ganz schnell gehen! Die Pläne für die Aufstockung des Turms, sowie dessen Dach mussten gezeichnet und bewilligt werden. Die Statik der vorhandenen Betonkonstruktion war zu prüfen. Die Finanzierung der Restkosten war zu regeln, denn das Projekt, so der Plan, sollte weitestgehend auf Spendenbasis durchgeführt werden.
Mit Hilfe der großen Politik in Wiesbaden, der Ämter der Kreisregierung in Erbach, der Leitung des Hessentags, des Kirchenvorstandes und des unermüdlichen Einsatzes von Architekt Heinrich Schäfer konnte alles bis zur Eröffnung des Hessentages geregelt werden. Die Bauarbeiten durften beginnen!
Das Projekt Kirchturm entwickelte sich zu einem durchschlagenden Erfolg! Zahlreiche Firmen stellten ihre Dienste kostenlos zur Verfügung! Sogar das Kirchturmdach wurde fachmännisch mit Titan-Zink-Blechen verkleidet! Das war weit mehr, als sich der Kirchenvorstand erträumt hatte.
Der neue KirchturmMit dem 20. August 1998 kam der Tag, an dem unter großem Polizeiaufgebot nicht nur der riesige Holzkasten, der später das Geläute aufnehmen sollte, sondern auch die Dachpyramide mit Lastwagen und Tieflader quer durch den Odenwald nach Beerfurth transportiert wurden. Ein Hinweis in den lokalen Zeitungen hatte zahlreiche Neugierige mit Liegestühlen an die Straßenräder gelockt, wo sie mit Bier in der Hand und Fleisch auf dem Grill geduldig auf die Vorbeifahrt des ‚Kirchturms‘ warteten.
Es war dunkel als der Transportzug die Kirche in Beerfurth endlich erreichte. Im gleißenden Scheinwerferlicht der örtlichen Feuerwehr wurden die tonnenschweren Bauteile mit Hilfe eines mächtigen Kranes entladen. Dankbar und erleichtert ließen alle Beteiligten die Sektkorken knallen!
Es dauerte jedoch noch fast ein Jahr bis der Kirchturm am 12. September 1999 mit einem gottesdienstlichen Festakt und anschließendem Gemeindefest eingeweiht werden konnte! Seither dominiert er als terrakottafarbener ‚Kampanile‘ die Anlage und erzählt jedem, der an ihm vorbeimarschiert oder -fährt:
„Dies hier ist eine Kirche!“